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Biographische Angaben
Annemarie Schwarzenbach wird am 23. Mai 1908 als drittes Kind von Alfred Emil Schwarzenbach und Marie Renée Wille in Zürich
geboren. Der Vater ist einer der grössten Seidenfabrikanten der Welt, die Mutter die Tochter von General Ulrich Wille. Annemarie
hat einen älteren Bruder, Robert-Ulrich, eine ältere Schwester Suzanne und zwei jüngere Brüder, Hans und Alfred JR.
1912 zieht die Familie von Zürich auf das Gut Bocken bei Horgen am Zürichsee, wo Annemarie aufwächst. Sie erhält Privatunterricht
bis 1923, in den Jahren 1923/24 besucht sie die Privatschule von Dr. Götz-Azzolini in Zürich und ab Herbst 1925 das Hochalpine
Töchterinstitut in Fetan im Unterengadin. Dieses schliesst sie im Herbst 1927 mit der Matura ab. Zunächst studiert Annemarie
zwei Semester an der Universität Zürich, unterbrochen von zwei Semestern in Paris, wo sie neben Geschichte vor allem Philosophie
und Psychologie hört. Im April 1931 schliesst sie ihre Studien in Zürich mit einer Dissertation zur Geschichte des Oberengadins
im Mittelalter und Neuzeit ab. Zur gleichen Zeit publiziert sie in der Schweiz ihren ersten Roman "Freunde um Bernhard".
Im September 1937 bricht sie erneut in die USA auf, wo sie in Artikeln und Fotoreportagen über die katastrophalen Verhältnisse
in den Südstaaten berichtet. Im Februar 1938 ist Annemarie Schwarzenbach zurück in der Schweiz und in Europa, wo sich inzwischen
einiges verändert hatte. Im April fährt sie nach Österreich, inzwischen dem Deutschen Reich angeschlossen, und nach Prag.
Danach muss sie sich mehreren Entziehungskuren in Kliniken in Samedan, Kreuzlingen und Yverdon unterziehen, wovon sie sich
in Sils erholt. Dort entsteht, zusammen mit der Genfer Schriftstellerin Ella Maillart, der Plan einer weiteren Asienreise.
Mit einem Ford starten sie im Mai 1939 in der Schweiz und über den Balkan, Türkei, Persien und Afghanistan gelangen sie nach
Indien. Auch diese Reise wird überschattet vom Drogenproblem Annemaries, das die Beziehung der beiden Frauen stark belastet.
Gegen Ende Oktober trennt sich Schwarzenbach, körperlich und psychisch sehr geschwächt, von Maillart und schliesst sich französischen
Archäologen an. Im Dezember entschliesst sie sich zur Rückkehr mit dem Schiff in die Schweiz, während Ella Maillart in Indien
bleibt, um dort das Ende des Weltkrieges abzuwarten.
1930 beginnt ihre enge und langjährige Freundschaft mit der Familie Mann, vor allem mit den älteren Geschwistern Erika und
Klaus. Während ihrer Zeit in Berlin (Herbst 1931 bis Frühling 1933) besucht Annemarie die Familie oft in München, oder Erika
und Klaus kommen nach Berlin. In Berlin nimmt sie erstmals Morphium. Bei der Machtergreifung Hitlers Anfang 1933 ist Annemarie
gerade in Berlin, wo sie ihr zweites Buch "Lyrische Novelle" publiziert. Der Aufenthalt im Deutschen Reich wird ihr später
verboten (August 1934), weil sie sich an der "Sammlung", einer Emigrantenzeitschrift begründet von Klaus Mann, finanziell
beteiligt hat.
Im Oktober 1933 startet sie zu ihrer ersten grossen Autoreise, die sie über die Türkei nach Syrien und den Irak führt und
schliesslich nach Persien, wo sie an archäologischen Ausgrabungen teilnimmt. Ihre Erlebnisse hält sie in einem Reisetagebuch
"Winter in Vorderasien" fest, das sie mit eigenen Fotos illustriert. Im Sommer 1934 mietet sie sich ein Haus in Sils-Baselgia,
das ihr ständiger Schweizer Wohnsitz wird. Im August besucht sie in Begleitung von Klaus Mann den ersten Allunionskongress
der Sowjetschriftsteller in Moskau. Anschliessend fährt sie mit dem Zug in den Süden Russlands und von dort weiter nach Teheran,
wo sie das Ende des Jahres 1934 wieder bei Ausgrabungen verbringt. Nach ihrer Rückkehr Ende Dezember 1934 setzt sie sich öffentlich
in einem Artikel für Erika Manns Kabarett "Die Pfeffermühle" ein, was zu Spannungen innerhalb ihrer Familie führt, die möglicherweise
ihren Selbstmordversuch am 15. Januar 1935 provoziert haben. Im Mai 1935 kehrt sie nach Persien zurück und heiratet den französischen
Diplomaten Claude Clarac. Dadurch wird sie französische Staatsbürgerin und erhält einen Diplomatenpass. Den Sommer verbringt
sie in einem Hochtal in der Nähe von Teheran, wo Freunde ein Zeltlager besitzen. Die Ereignisse dieses Jahres verarbeitet
sie in einem Buch "Das glückliche Tal", das aber erst 1940 publiziert wird. Krankheit und Drogenkonsum zwingen sie im Herbst
zur Rückkehr in die Schweiz, wo sie im November/Dezember 1935 in der Klinik in Prangins bei Dr. Forel eine Entziehungskur
macht. Im Spätsommer 1936 begibt sich Annemarie zusammen mit einer Freundin, der Amerikanerin Barbara Hamilton-Wright, auf
eine Reportagetour durch die nördlichen Industriegebiete der USA, von der sie im Februar 1937 zurückkehrt. Im Sommer 1937
reist sie über das Deutsche Reich, Ostpreussen und die Baltischen Staaten nach Moskau, wo sie dem Schicksal des kurz zuvor
tödlich verunglückten Schweizer Bergsteigers Lorenz Saladin nachspürt. Mit dem Material, das man ihr in Moskau übergibt, schreibt
sie ihr erfolgreichstes Buch "Lorenz Saladin, ein Leben für die Berge".
Gegen Ende Januar 1940 trifft sie in der Schweiz ein, wo sie einige Artikel und Fotos über diese Reise publizieren kann. Im
Juni 1940 kehrt sie abermals in die USA zurück, wo sie zusammen mit Margot von Opel den Sommer und einen Teil des Herbstes
auf der Insel Nantucket verbringt, abseits vom Weltgeschehen. In New York lernt sie im Juni Carson McCullers kennen, die sich
in sie verliebt. Auch mit den Mann-Geschwistern hat sie wieder Kontakt, aber das Verhältnis ist angespannt. Im November stirbt
ihr Vater, dadurch verschlechtert sich ihr bereits angeschlagener Gesundheitszustand und nach einem weiteren Selbstmordversuch
wird sie in eine psychiatrische Klinik eingeliefert. Unter der Bedingung, die USA sofort zu verlassen, entlässt man sie. Im
Februar 1941 kehrt sie über Lissabon in die Schweiz zurück. Auf Betreiben ihrer Mutter reist sie als Korrespondentin im April
nach Lissabon und von dort weiter in den Belgisch-Kongo, wo sie einige Monate auf einer Plantage verbringt. Dort schreibt
sie einen Roman "Das Wunder des Baums". Nach einem Spionageverdacht verlässt sie im März 1942 Afrika und reist über Lissabon
nach Marokko, wo ihr Mann inzwischen als Konsul tätig ist. Im Juli 1942 ist sie zurück in Sils, wo sie an ihrem Afrika-Manuskript
arbeitet. Am 6. September erleidet sie in der Nähe von Sils einen schweren Fahrradunfall mit Kopfverletzungen, worauf man
sie in die Klinik nach Prangins transportiert. Nach einem kurzen Aufenthalt auf Bocken bringt man sie zurück nach Sils, wo
sie am 15. November 1942 an einer Lungenentzündung stirbt.
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Annemarie Schwarzenbach mit ihrer Rolleiflex-Kamera in Malans, 1938 (Fotografin: Anita Forrer)
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Umfang und Inhalt der Dokumente
Der Nachlass besteht vor allem aus ihren journalistischen Arbeiten, den Manuskripten ihrer Romane und ca. 7000 Fotos.
Der grösste Teil der Briefe, die Annemarie Schwarzenbach erhalten hat, wurde nach ihrem Tod vernichtet. Die Briefe an Erika
und Klaus Mann liegen im Original in der Stadtbibliothek München. Nachträglich dazugekauft wurde der Briefwechsel mit Albrecht
von Haushofer. Der überwiegende Teil der Briefe von Annemarie Schwarzenbach (B-1) wurde dem Nachlass nachträglich hinzugeführt.
Die Rubrik Erweiterter Nachlass (E) umfasst eine Sammlung mit Presseausschnitten zu Leben und Werk der Autorin, der Sekundärliteratur
und in Zeitungen und Zeitschriften abgedruckte Texte Schwarzenbachs in Kopie.
Administrative Informationen
Zugang
Konsultation nur im Lesesaal SLA. Einschränkungen vor allem aus urheber- und persönlichkeitsrechtlichen Gründen.
Bevorzugte Zitierweise
Schweizerisches Literaturarchiv (SLA). Nachlass Annemarie Schwarzenbach.
Erwerbung
Geschenk von Anita Forrer, 1980
Hinweise zur Erschliessung
HelveticArchives / online
http://nbn-resolving.org/urn:nbn:ch:bel-37450
Dieses Online-Inventar wurde aus HelveticArchives generiert. Es unterscheidet sich in seinem Erscheinungsbild von "normalen"
Online-Inventaren hauptsächlich durch die beiden folgenden Merkmale: das Datum wird mit Punkt (statt Trennstrich) angezeigt,
es gibt - strukturell bedingt - mehr „Darin“-Auflistungen im Bemerkungsfeld. In ihrem Inhalt sind die beiden Inventarformen
jedoch identisch.
Das vorliegende Inventar basiert auf der Abschrift der Karteikarten des Zettelkatalogs des SLA.